"Morgen, morgen und wieder morgen" von Gabrielle Zevin
In einer Welt, in der Videospiele längst ein fester Bestandteil unserer Kultur sind, erzählt Gabrielle Zevins Roman „Morgen, morgen und wieder morgen“ eine zeitlose Geschichte über Freundschaft, Kreativität und die unendlichen Möglichkeiten des Neuanfangs. Das Buch folgt Sam Masur und Sadie Green – zwei Freunde, die sich als Kinder im Spielzimmer eines Krankenhauses kennenlernen. Jahre später treffen sie sich zufällig wieder und werden Partner beim Entwickeln von Videospielen. Was als gemeinsames Projekt beginnt, wird zu einem Jahrzehnte umfassenden Epos über Ruhm, Tragödien und die Suche nach Sinn in einer digitalen Welt.
Zevin verwebt dabei die Welt der Spiele mit klassischer Literatur und lotet die Grenzen zwischen Realität und virtueller Erfahrung aus.
Die Essenz der Geschichte
Der Roman beginnt in der Kindheit der Protagonisten: Sam erholt sich nach einem Autounfall im Krankenhaus, Sadie besucht ihre krebskranke Schwester. Beide begegnen sich an der Spielekonsole und entdecken eine gemeinsame Leidenschaft.
Jahre später treffen sie sich auf einem Bahnsteig in Boston wieder, schmieden die ersten Pläne für ein eigenes Videospiel – „Ichigo“ – und gründen später gemeinsam ein Studio. Der Erfolg bringt ihnen Ruhm und Reichtum, doch er schützt sie nicht vor persönlichen Krisen oder den Schattenseiten der Branche. Die Erzählung spannt sich über dreißig Jahre, von Cambridge bis nach Venice Beach und darüber hinaus, und beleuchtet Themen wie Identität, Behinderung, Freundschaft, kulturelle Aneignung und den Wunsch, sich zu verbinden.
Zevin zeigt, wie Sam und Sadie immer wieder aneinandergeraten, sich voneinander entfremden und doch immer wieder zueinanderfinden – wie in einem Videospiel, in dem der nächste Versuch schon im Menü wartet.
"So lebensnah und ambivalent erzählt, dass man den Roman nicht aus der Hand legen mag."
Elisa von Hof, Der Spiegel
Dieser Gedanke durchzieht den Roman: Die Figuren erleben Scheitern, Verlust und Trauma, doch Spiele geben ihnen Raum für Wiedergeburt und Erneuerung. Zevin nutzt Videospiele als Metapher für das Leben selbst – für die Hoffnung, nach jedem Fehlschlag von vorn anfangen zu können.
Was du in diesem Buch findest
- Fesselnde Erzählung über Spieleentwicklung – das Buch zeigt, wie Sam und Sadie als junge Studierende an MIT und Harvard ihr erstes Spiel entwickeln, ein Unternehmen gründen und mit Erfolgen wie Ichigo und Pioneers Millionen Spieler begeistern. Zevin beschreibt die kreative Arbeit detailreich und macht sie selbst für Nicht‑Gamer verständlich.
- Eine Freundschaft, die tiefer geht als Romantik – Sam und Sadie lieben sich, ohne Liebhaber zu sein. Sie sind „Work‑Spouses“, deren Beziehung von gemeinsamen Idealen, kreativen Spannungen und lebenslangen Verletzungen geprägt ist. Ihre Beziehung ist reiner und süßer als jede körperliche Anziehung.
- Gesellschaftliche Themen – Neben nostalgischen Gaming‑Momenten thematisiert Zevin Behinderung, kulturelle Aneignung und den Einfluss der Popkultur auf Identität. Sam leidet unter einer schweren Fußverletzung und erlebt das Spiel als Freiheit von seiner körperlichen Begrenzung; ihre Spiele greifen japanische Kunst wie Hokusais „Große Welle von Kanagawa“ auf und werfen Fragen nach kultureller Inspiration auf.
- Zeitreise durch drei Jahrzehnte – Von den 1990er Jahren bis in die Gegenwart erleben Leser:innen nicht nur die Entwicklung der Videospielindustrie, sondern auch den Aufstieg des Internets, die Dotcom‑Blase und die Veränderung von Gesellschaft und Technologie.
- Meta‑Erzählungen und virtuelle Welten – Der Roman enthält Spiele‑im‑Spiel, die als „Geschichten in der Geschichte“ fungieren. Zevin lässt Leser:innen in imaginäre Welten eintauchen, die gleichzeitig als Spiegel der realen Beziehungen von Sam und Sadie dienen.
Für wen ist dieses Buch?
Dieser Roman richtet sich an alle, die sich vom Zauber des Geschichtenerzählens und dem Thema Videospiele berühren lassen – auch ohne Gaming‑Vorkenntnisse:
- Gamer:innen und Nerds, die literarische Anspielungen und Details aus der Spieleentwicklung feiern wollen.
- Fans von literarischem Fiction, die komplexe Charaktere und vielschichtige Beziehungen schätzen.
- Leser:innen, die über Freundschaft, Identität und Behinderung nachdenken möchten, denn der Roman zeigt, wie Sam und Sadie mit Schmerz, Verantwortung und Verrat umgehen.
- Kreative Menschen – Künstler:innen, Programmierer:innen und Schreiber:innen – die den Prozess des Schaffens als Arbeit und Leidenschaft kennen.
- Alle, die sich nach einer mitreißenden Geschichte sehnen, die Popkultur und klassische Themen (Macbeth‑Zitat) auf intelligente Weise verbindet.
Unser Fazit
„Morgen, morgen und wieder morgen“ ist viel mehr als ein Roman über Videospiele. Maureen Corrigan von NPR lobte das Buch als „big, beautifully written novel“ und betonte, dass es sowohl ernsthafte Kunst als auch immersive Unterhaltung sei.
Pippa Bailey vom Guardian nennt den Roman „artvoll ausbalanciert – charmant, aber niemals kitschig“, und beschreibt die von Zevin geschaffene Welt als „texturiert, expansiv und verspielt“.
Auch der Washington Post hebt die Art hervor, wie Zevin Leser:innen in die frühen Tage der Spieleindustrie hineinzieht und dabei die Schönheit, Dramatik und den Schmerz menschlicher Kreativität erlebbar macht.
Für uns ist dieses Buch ein Highlight des Jahres: Es verbindet das Tempo eines Thrillers mit der emotionalen Tiefe eines Familienromans, lässt uns über Kunst, Technologie und Liebe nachdenken und beweist, dass gute Geschichten uns in Welten entführen können, die wir vielleicht nicht kennen – und die uns doch berühren. 5 von 5 Sternen – ein literarischer Blockbuster, der noch lange nachhallt.
